Unser Kanalabenteuer begann mit einer Bahnfahrt nach Agde. Eigentlich war geplant gewesen, das Boot in Carcassonne zu übernehmen und nach Agde zu fahren. Die Bootsvermietung hatte es sich aber kurzfristig anders überlegt und so mussten Werner und ich wohl oder übel in einem total überfüllten Zug über Narbonne nach Agde reisen. Mein Fahrrad konnte ich nicht mitnehmen, aber bei Madame und Monsieur vom B & B Aude Cité war es in guten Händen, zumal wir am Tag unserer Rückkehr nach Carcassonne dort wieder übernachten würden.


Vom Bahnhof in Agde zum Bootsanleger war es nicht weit ,und die Übernahme der Pénichette 1020 (etwas größer als gebucht) mit Namen Violetta inklusive Einweisung dauerte auch nicht lange. Das Boot hatte zwei Schlafkabinen und damit genug Platz für mindestens vier Personen! Würden wir zu zweit zurechtkommen? Zwischen den Kabinen befand sich ein Aufenhaltsraum mit Küche. Wir würden also auf dem Boot kochen können und deshalb machten wir uns noch am Abend auf den Weg ins Zentrum von Agde, um einzukaufen. Das Essen im italienischen Restaurant am Hérault war gut, aber das abendliche Agde machte einen trostlosen und heruntergekommenen Eindruck: Von mediterranem Flair keine Spur! Immerhin entdeckten wir einen Laden, der zu später Stunde geöffnet war und fanden dort alles, was wir brauchten: Kaffee, Filtertüten, Klopapier und vieles mehr.


Nach einer angenehmen Nacht an Bord ging es am nächsten Morgen los. Ein Techniker half über die Startschwierigkeiten hinweg, und dann gab es kein Halten mehr: Leinen los und rein ins Vergnügen. Gemächlich natürlich, denn wir mussten ja erst einmal ein Gefühl für die Navigation entwickeln. Die erste Schleuse passierten wir in Portiragnes mit leichten Problemen und der Hilfe des Schleusenwärters. Am Nachmittag legten wir im Hafen von Béziers an und hatten Zeit für einen Stadtrundgang mit Abendessen. Rechtzeitig zum Feuerwerk waren wir wieder auf dem Boot und konnten das Spektakel in Erinnerung an das Ende des II. Weltkrieges (Fête de la Libération) in unseren Liegestühlen genießen.


Hinter Béziers wartete die berühmte Schleusentreppe auf uns. Die Navigation klappt unerwartet gut und für Unterhaltung durch die zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauer war auch gesorgt. Danach folgte eine ruhige Fahrt ohne Schleusen bis Capestang durch eine mediterrane Bilderbuchlandschaft mit kleinen Dörfern und Weinbergen. Allerdings war es ziemlich sonnig und heiß, weil die schönen alten Platanen am Kanal abgeholzt werden mussten (Platanenkrebs) und die neu angepflanzten Bäume noch sehr klein waren.


Weiter ging es am nächsten Tag zunächst wieder ohne Schleusen durch das südliche Minervois nach Le Somail, dem hübschesten Ort auf unserer Strecke. Dort gab es sogar ein Restaurant mit vegetarischem Menü, das wir in Gesellschaft vieler anderer Gäste, dreier Gänse und einer Biberratte (Nutria) einnahmen.


Mit der schleusenlosen Fahrt war es nun vorbei. Bis Homps mussten wir zwei einfache und zwei Doppelschleusen passieren, bis Marseillette außer zwei Einzel- und zwei Doppelschleusen auch eine Dreifachschleuse. Dabei erwies es sich als vorteilhaft, mit mehr als zwei Personen auf dem Canal du Midi zu fahren. Das Hineinmanövrieren in die Schleusen gestaltete sich oft schwierig und gelang immer dann am besten, wenn das Boot gezogen werden konnte. Dazu musste Werner an Land gehen, während ich versuchte, das Boot zu steuern - gelegentlich mit wenig Erfolg, weil das Boot anders reagierte, als ich dachte ... Der Landgang oder besser "Landsprung" war auch nicht immer ganz einfach. Bei einem Versuch verletzte sich Werner am Knie. Glücklicherweise hatten wir oft Hilfe, wie zum Beispiel von einer netten deutsch-französischen Familie aus Antibes.


Die Nacht in Marseillette wurde etwas unruhig, weil wir als einziges Boot am Ortsrand festgemacht hatten und weil ein paar junge Männer uns zu beobachten schienen. Während einer von uns beiden schlief, hielt der andere Nachtwache; wir wollten auf Nummer Sicher gehen und keinen unangenehmen Nachtbesuch riskieren. Es passierte aber gar nichts, alle Sorgen waren umsonst und wir fuhren am letzten schleusenreichen Tag nach Carcassonne, wo wir gegen 16:00 Uhr anlegten, zeitig genug für einen erneuten Covid-Test, der notwendig war, um in einem Restaurant essen zu können. Die Nacht verbrachten wir an Bord.


Die Übergabe des Bootes am nächsten Morgen verlief problemlos: "Je vous fais confiance, je ne vais même pas contrôler le bateau!" Der Tag war noch jung und eignete sich vorzüglich für einen Ausflug in die Cité von Carcassonne mit einem Besuch des Schulmuseums, für ehemalige Lehrer ein Pflichtbesuch! Außerdem wollte ich vor meiner Weiterreise mit dem Fahrrad noch einmal waschen.